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.Geschichte nach 1945

Nach der Besetzung des Sperrgebietes der Eickhofer Heide mit der Pulverfabrik der Eibia durch britische Truppen am 10.April 1945, blieb das Gelände zunächst von der britischen Armee beschlagnahmt. Die Maschinen wurden demontiert und als Reparationsleistung in andere europäische Länder transportiert. 1949 wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet, 1951 das von den Alliierten beschlagnahmte “Reichsvermögen Geschäftsbereich Speer” freigegeben. Damit übernahm die bundeseigene Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG) die Verwaltung der Liegenschaft. Die IVG verpachtete fortan Teile des Geländes an rüstungsindustrielle und militärische Nutzer. Vorerst blieb die britische Armee einziger Nutzer. Sie richtete dort ein riesiges Muntitionsdepot ein. Das von der “3. Base Ammuninition Depot” des “Royal Army Ordonance Corps” (3. BAD RAOC) betriebene Depot war bis zu seiner Verlegung nach Brüggen-Bracht im Jahre 1953 das größte Munitionslager in Deutschland.

Das umfangreiche Eisenbahnnetz auf dem Sperrgebiet nutzte zwischen 1952 und 1955 die “79 Railway sqn RE”, eine britische Militär-Eisenbahn-Truppe, zu Ausbildungszwecken.

Direkt gegenüber der britischen Unterkunft “Pinewood Camp” (ehem. “Lager Stein I”) errichten die Briten 1953 ein großes Reparatur- und Instandsetzungswerk der “32 Armoured Workshop REME” für Lkw und Panzer. Das Werk erhielt einen Gleisanschluß an das Eisenbahnnetz auf dem Eibia-Gelände

1956 erfolgte mit der Gründung der Bundeswehr die Wiederbewaffnung Deutschlands. Damit kam das Sperrgebiet mit den Bauten und Einrichtungen der ehemaligen “Eibia GmbH Anlage Karl” für eine mögliche erneute Nutzung zur Rüstungsproduktion, sowie für eine militärische Nutzung des Geländes durch deutsches Militär wieder in Betracht. Noch im selben Jahr übernahm die Bundeswehr von der britischen Armee einen kleinen Teil des Geländes im Nordwesten bei Mainsche. Die Bundeswehr richtete dort das “Bw-Depot Liebenau” ein. Auf anderen Teilen des großen Sperrgebietes begannen 1957 die “Verwert-Chemie 2” (Dynamit-Nobel), die “Liebenau-Chemie GmbH” und die “Liebenauer Metall GmbH” (beide ebenfalls Dynamit-Nobel-Töchter) mit dem Aufbau neuer Produktionsanlagen. Die große Produktpalette der “Verwert-Chemie 2”(Dynamit-Nobel) reichte von Sprengstoff über Landminen, Artilleriemunition bis zu Artillerieraketen.

 

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Tor des britischen Lkw- und Panzerreparaturwerkes der “32 Armoured Workshop REME”. Hier arbeiteten auch zahlreiche deutsche Zivilbeschäftigte. Heute wird das Werk zivil von einer Privatfirma genutzt (Foto vom Oktober 2006).

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Haupteinfahrt in das Sperrgebiet bei Liebenau nordwestlich des “Lager Stein I” (Pinewood Camp). Durch dieses Tor ging es zur “Verwert-Chemie 2” bzw. zur “Eurometaal” (Foto aus den 90er Jahren)

>> [...]Bereits 1957 nahm Dynamit Nobel die Arbeit in Liebenau wieder auf. Das von der Gesellschaft zur Verwertung chemischer Erzeugnisse Liebenau betriebene Werk dient rein militärischer Produktion. Die Initiative dazu ging im wesentlichen "auf die Herren der alten Verwertchemie"(s.u.) zurück. Zu Beginn der sechziger Jahre war das Dynamit Nobel Werk in Liebenau bereits wieder die größte "Pulverfabrik" Deutschlands (o.Verf. 1977, S.65-66); danach allerdings "kam es zu einem drastischen Rückgang der Produktion" (Perdelwitz, 1984; S.181). Dieser Rückgang, unter anderem verursacht durch das Auslaufen des Großauftrages für die Panzermine DM-11, führte zu einem drastischen Arbeitsplatzabbau: Von 2.500 Mitarbeitern 1962 in Liebenau waren nach Firmenangaben 1974 noch 500 verblieben (Wehrdienst 118/1967 und 492/1974). 1962 besaß die "Gesellschaft mit beschränkter Haftung zur Verwertung chemischer Erzeugnisse, Liebenau" ein Stammkapital von 12,5 Mio. DM, das 1966 auf 18 Mio. DM erhöht wurde. An der GmbH hält Dynamit Nobel durchgängig eine Mehrheitsbeteiligung (Dynamit Nobel, 1975; Wehrdienst 118/1967). In Liebenau führt Dynamit Nobel zunächst auch die Arbeiten an den Minenraketen für LARS durch. Vermutlich im Jahre 1977 und im Zusammenhang mit der Vergabe der Fertigung für die Minenrakete LARS-AT-1 an Diehl stellt Dynamit Nobel die eigene Produktion in Liebenau ein und verlagert die dortigen Aufgaben in andere Werke (Wehrdienst 594/1977). Das Werk in Liebenau wurde zunächst teilweise, später ganz von der holländischen Firma Eurometaal genutzt, an der Dynamit Nobel schon damals eine Beteiligung von 33 % hält (Wehrdienst 566/1977) und die selber in Holland zumindest als Anbieter von Landminen auftritt (Bertens, 1995, S.16), u.a. für die Produktion von Artilleriegranaten. [...] Traditionsreich ist vor allem auch die Arbeitsteilung zwischen Staat und Rüstungsfirma, nach der in Liebenau Munitionsherstellung betrieben wird. Grund und Boden sind Staatseigentum und werden von der Industrieverwaltungsgesellschaft, IVG, für den Bund gehalten; das Firmengelände wird der Firma zur Bewirtschaftung gegen einen Obulus zur Verfügung gestellt. Dies entspricht der Struktur während des Dritten Reiches. Die IVG ist nach dem Zweiten Weltkrieg als Nachfolgegesellschaft der Verwertungsgesellschaft für Montan-Industrie entstanden. Die Verwertchemie bestand bereits zu Zeiten des Dritten Reiches.[...]<<

[Zit. aus: BITS Report 95.1, Oktober 1995]

Im Ostteil des Geländes nahe Liebenau richtete die Bundeswehr 1963 ein Atomwaffendepot für das in Nienburg-Langendamm ansässige RakArtBtl 12 des 1.Artillerieregimentes der 1.Panzergrenadierdivision ein. Die vom RakArtBtl 12 geführten Honest-John-Raketen sollten im Kriegsfall mit den in Liebenau deponierten atomaren Sprengköpfen ausgerüstet werden. Dieser Atomwaffenträger war bereits 1959 auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohne von der Bundeswehr erprobt, und das RakArtBtl 12 im gleichen Jahr gegründet worden. Da der Bundesrepublik völkerrechtlich aufgrund der Pariser Verträge die Herstellung eigener Atomwaffen in Deutschland verboten, und sie damit keine Atommacht war, blieben die (in den USA hergestellten) Atomsprengköpfe für die Bundeswehr im Rahmen der “Nuklearen Teilhabe” in der Schlüsselgewalt der US-Army, die ausschließlich zu diesem Zweck eine kleine Einheit in Nienburg-Langendamm, die “32nd USAFAD”, unterhielt. Die Bundeswehr-Begleitbatterie für die Bewachung (die 5./12) wurde im “Bw-Depot Liebenau” bei Mainsche im nordwestlichen Bereich des Eibia-Geländes untergebracht. Das eigentliche Atomwaffendepot (Sonderwaffenlager) wurde im Ostteil des Geländes ca. 1 km östlich von Liebenau eingerichtet.

 

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Hauptzufahrtstraße nördlich des “Pinewood Camp (Lager Stein I)” zum Sperrgebiet mit der Pulverfabrik. Als diese noch in Betrieb war, durfte man mit dem Auto als Unbefugter noch nicht einmal bis an das Tor fahren (Foto von 2006).

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Die Wache an der Einfahrt zum “Bw-Depot Liebenau” bei Mainsche. Hinter dem Wachgebäude rechts neben der Straße befanden sich die Unterkünfte für die Begleitbatterie zur Bewachung des Atomwaffenlagers, dahinter das Munitionsdepot Liebenau (Foto vom Oktober 2006).

Das “Bw-Depot Liebenau” bei Mainsche im Nordwestteil des Eibia-Geländes betrieb die Bundeswehr von 1956 bis 1958 zur Ãœbernahme und Verteilung von militärischem Gerät (Material-Ãœbernahmegruppe II Nord). 1958 wurde es zum Munitionsdepot umgewandelt (MunDp LIE). Ihm unterstanden die Nebenlager “KDp 152,Leese” und “KDp 156, Hesepe”. In den 90er Jahren begann infolge der “Wende” der Abbau. Zunächst wurde das Depot dem “MunHDp Walsrode” unterstellt und 1995 schließlich aufgelöst.

Die britische Armee nutzte seit dem Abzug ihres großen Munitionsdepots im Jahre 1953 das Eibia-Gelände nur noch als Munitionsdepot für die britischen Einheiten der Umgebung sowie als Standort einiger Instandsetzungs- und Logistik-Einheiten. Bereits 1978 zogen die Briten das “Pinewood Camp” in Liebenau und das “Helenalager” in Steyerberg leer. Auch das große Fahrzeug-Reparaturwerk am “Pinewood Camp” wurde 1978 geschlossen, die “32 Armoured Workshop REME” verlegt. Die Bauten des Reparaturwerkes blieben bis zum vollständigen Abzug der Briten noch in Nutzung durch die “45 Spt Sqn RE”.  

Seit etwa Mitte der 70er Jahre produziert am Südrand des Sperrgebietes bei Steyerberg ein großes Chemiewerk zunächst der Dynamit-Nobel (ausschließlich zivile Produktion), dann der Degussa-Hüls AG (Heute: Oxxynova GmbH & Co KG).

1977 übernahm die holländische “Eurometaal” die stark verkleinerte Munitionsproduktion der Dynamit-Nobel in Liebenau. Die Zahl der Beschäftigten sank von 1500 (um 1970) auf 130 Mitarbeiter(1993). Die “Eurometaal” geriet Anfang 1992 in die Schlagzeilen, als sie im Liebenauer Werk Splittergranaten für die Türkei produzierte, deren Einsatz gegen die Kurden nicht ausgeschlossen werden konnte. Der Bundessicherheitsrat untersagte die Ausfuhr der 18.000 Granaten. Daraufhin schloß zum Jahresbeginn 1994 die “Eurometaal” das Werk Liebenau.

Anfang der 1990er Jahre endete mit der “Wende” der Kalte Krieg. Bereits 1987, also noch vor der eigentlichen “Wende”, hatten der US-Präsident Reagan und Michael Gorbatschow den INF-Vertrag über die Beseitigung atomarer Mittelstreckenwaffen unterzeichnet. Nachdem US-Präsident George Bush (sen.) im September 1991 eine einseitige Initiative zum Abbau auch taktischer Kernwaffen (atomare Kurzstrecken- und Gefechtsfeldwaffen) verkündet hatte und diese von Gorbatschow im Folgemonat mit einer adäquaten Initiative beantwortet worden war, wurden die Atomwaffen des Heeres komplett aus Deutschland abgezogen. Das Sonderwaffenlager Liebenau der Bundeswehr wurde daraufhin Anfang 1992 leergezogen und aufgegeben, 1995 auch das “Bw-Depot Liebenau” mit der kleinen Kaserne im Nordwesten des Areals bei Mainsche. Nachdem Anfang 1994 auch die “Eurometaal” ihr Liebenauer Werk geschlossen hatte, endete die militärische Geschichte der Eickhofer Heide. Seitdem sucht die Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG) nach neuen Investoren und Grundstückskäufern.

 

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